Gamescom – Teil 1 – Hardware

25. August 2010 at 17:17 4 Kommentare

Liebe Freunde und Unterstützer der Zukunftswerkstatt,

heute beginnen wir mit der Nachbearbeitung der gamescom in Köln. Wie in meinem letzten Beitrag angekündigt, habe ich mich für vier Tage ins Getümmel gestürzt und viel Zeit mit Ausprobieren, Diskutieren, Lernen und Vernetzen verbracht. Und natürlich hat es auch alles sehr großen Spass gemacht:-)

In diesem und ein paar weiteren Beiträgen möchte ich über meine Erfahrungen auf der gamescom berichten. Mir ist bewusst, dass man von uns auch Antworten auf die Fragen erwartet, was das alles mit der Kultur- und Wissensvermittlung zu tun hat bzw. was Kultur- und Wissensinstitutionen daraus lernen können oder ob sie Gaming in ihre Arbeit integrieren sollen und wenn ja wie. Ich werde versuchen, auf einige dieser Fragen einzugehen. Grundsätzlich können wir aber keine „Gebrauchsanweisung“ für das Thema Gaming anbieten. Vielmehr wird es wichtig sein, gemeinsam nach neuen Wegen zu suchen. Sicherlich haben wir ein paar Ideen und einige von diesen Ideen haben wir auch schon erfolgreich umsetzen können. Aber so wie die Welt des sog. Web2.0 kein statisches System sondern vielmehr ein Prozess und unserer Meinung nach eine neue Kulturform darstellt, ist auch die Welt der Computergames zu heterogen und zudem einer Prozesshaftigkeit unterworfen, die es uns nur ermöglicht, Visionen zu entwickeln sowie Möglichkeiten, Chancen und Risiken zu beschreiben.

Gaming ist Hochtechnologie
Grundsätzlich ist es wichtig zu verstehen, dass ein großer Teil der Welt der Computergames von Hochtechnologie geprägt ist. Die Gaming-PCs haben z.B. nur wenig mit dem klassischen Office-PC gemeinsam. Zwar verfügen beide über einen Prozessor, eine Grafikkarte, ein Motherboard, ein Festplatte usw. aber allein ein Blick auf die Grafikkarte zeigt, dass es hier um andere Aufgaben geht. Gute Grafikarten kosten mehrere hundert Euro und werden für viele Spiele auch benötigt. Darüber hinaus werden sehr schnelle Monitore benötigt, damit der Spielfluss nicht gestört wird.

Es gibt eine Vielzahl an speziellen Tastaturen und Mäusen, die speziell für Gamer entwickelt werden. Die Controller müssen sehr schnell reagieren und sehr robust sein. Auch spezielle Tastenbelegungen bei Tastaturen und Mäusen sind sehr beliebt. Man mag sich das nicht vorstellen können, aber wenn man zum ersten mal mit solchen Eingabesystemen arbeitet, merkt man den Unterschied. Dies geht soweit, dass man mittels Gewichten das Gewicht der Maus an seine persönlichen Wünsche anpassen kann. Klingt komisch, ist aber durchaus sinnvoll. Schließlich spielen einige Gamer bis zu 6 Stunden am Stück. Darüber hinaus zählen bei einigen Spielen Millisekunden. Jeder Befehl kostet Zeit und jede Sekunde die ich gewinnen kann, kann mich dem Sieg ein bißchen näher bringen.

Es verwundert nicht, dass auch die Hardwarehersteller massiv auf der gamescom mit eigenen Ständen vertreten waren. So wie es manchmal einen regelrechten Kult um bestimmte Games gibt, wird dies auch im Bereich der Hardware praktiziert:

Die beeindruckenste Variante ist aber der individuelle Um- und Neubau von Computergehäusen. Hierzu läßt sich sicherlich viel sagen – aber ich denke die Bilder sprechen für sich.

Gleichzeitig sind der Entwicklung enge Grenzen gesetzt. Viele Gamer verfügen schlichtweg nicht über das Geld, um sich jedes Jahr neue Bauteile oder neue Konsolen zu kaufen. Die Verbreitung bzw. ein damit verbundener Technologiestandart hat also einen wesentlichen Einfluss auf die Entwickler der Spiele. Es geht also letztlich um ein Wechselspiel zwischen der technologischen Entwicklung und den primär finanziellen Mittel der „breiten Masse“.

Virtuelle Wirklichkeiten – in 3D
Die Spiele werden immer realistischer. Dabei geht es nicht nur um die Frage, ob man reale Orte und Personen möglichst wirklichkeitsgetreu darstellen kann. Virtuelle Welten bzw. virtuelle Realitäten werden immer komplexer und detaillierter. Diese Entwicklung wird weitergehen. Viele Spiele erzeugen eine unglaubliche Atmosphäre und zusammen mit dem Sounddesign erlebt man die dahinter liegen Geschichten auf eine Art und Weise die durchaus fesselnd sein kann.

Sehr spannend war das Thema 3D. Ich konnte einige Spiele in 3D ausprobieren und meine anfängliche Skepsis änderte sich schnell in Begeisterung. Und natürlich wird versucht, auf allen Plattformen 3D einzuführen. So wird wohl auch der Nintendo DS mit 3D arbeiten. Zudem wird es in absehbarer Zeit nicht mehr zwingend notwendig sein, eine 3D-Brille zu tragen.

3D wird ein sehr großes Thema werden. Im Moment sind diese Geräte noch verhältnismäßig teuer. In naher Zukunft wird sich dies aber sicherlich ändern. Es ist sehr schwer, in einem Blog 3D zu zeigen. Am besten Ihr probiert es irgendwo mal aus. Ich denke, dass es in den nächsten Wochen in einigen Elektronikmärkten Promotionaktionen hierzu geben wird.

Du bist der Controller
Ein anderer Trend ist die Erweiterung bzw. Neudefinition des Controllers (Eingabegerät). Besuchte man auf der Gamescom eine der Toiletten so wurde man beim Blick in den Spiegel mit dem Slogan „Du bist der Controller“ konfrontiert. Damit war weniger eine Individualisierung oder der Aufbau von Selbstvertrauen als vielmehr ein neues Controller-Konzept gemein. Wie bereits erwähnt hat Microsoft mit dem Projekt „Kinect“ einen neue Ära der Eingabegeräte eingeleitet. Ich habe es zugegeben nicht glauben wollen, dass sowas funktioniert – aber ich habe mich geirrt. Kinect funktioniert – wenn auch nicht in allen Bereichen die ursprünglich angedacht waren. Die Steuerung von Spielen mit dem eigenen Körper ist nun umgesetzt worden. Man kann Boxen, Tiere streicheln und durch einen Parcour führen, Fußball spielen, Tanzen etc. All dies ist wurde präsentiert und erfreute sich großer Beliebtheit. Um zu verstehen, was damit alles möglich ist, solltet Ihr unbedingt folgendes Video anschauen:

Auf der gamescom konnten Besucher das Spiel ausprobieren. Hierfür gab es spezielle Testkabinen. Interessant dabei war, dass das Testen nicht im Geheimen stattfand. Vielmehr konnten alle Besucher den Testdurchgang beobachten. Dies ist eine sehr interessante Form der Transparenz, die letztlich auf einer großen Offenheit und einem großen Vertrauen beruht. Das Ausprobieren findet in aller Öffentlichkeit statt – jeder kann zusehen und lernen…

Auch Sony hat einen neuen Controller entwickelt. Diese Technologie verzichtet nicht ganz auf den Controller als physischens Werkzeug. Aber auch hier wurde seine Funktionalität massiv erweitert:

Alles ist iPad
Natürlich werden nicht nur Spiele für Spielekonsolen und Desktop-PC’s entwickelt. Sobald man davon ausgehen kann, dass sich eine neue Plattform weit verbreiten wird, werden auch Spiele dafür entwickelt. Sicherlich kennt Ihr dies noch von Euren ersten Handys. Spiele waren beinahe immer dabei und erweiterten die Nutzungsmöglichkeiten immens. Ein Handy sollte von Anfang an nicht nur zum Telefonieren genutzt werden. Das iPad ist Euch sicherlich allen bekannt. Und wie auch bei den smartphones gibt es hier bereits eine stetig wachsende Zahl an unterschiedlichen Games. Dabei wird das iPad sowohl als Monitor als auch als Controller genutzt.

Fliegen mit dem iPhone
Natürlich wird auch versucht, über die Grenzen der Konsole bzw. des Computers hinauszugehen. Eine Frage mit der sich nicht nur Gamesentwickler beschäftigen ist die, wie man Gaming mit der Realität verbinden kann. Eine Variante ist der sog. ARDrone. Es handelt sich dabei um eine Art Spielzeughelikopter der über das iPhone gesteuert wird. Neben dem normalen Fliegen kann man auf zwei im Fluggerät befindliche Kameras zugreifen und zudem verschiedene Spiele auf dem iPhone damit spielen. Das zweite Video zeigt die unterschiedlichen Spielmöglichkeiten.

Was bedeutet dies alles für die Kultur- und Wissensvermittlung?
Die Welt der Computerspiele ist geprägt von Hochtechnologie. Überall konnten wir neue Entwicklungen bestaunen und ausprobieren. Dies alles geht einher mit einer großen Offenheit gegenüber diesen neuen Technologien. Das Neue wird angenommen und ausprobiert. Technologie erscheint als grundsätzlich gut – aber sie muss dem Spieler einen Mehrwert bringen. Dieser Mehrwert erschließt sich vor allem durch eigene Erfahrungen. Dabei sind die Spieler nicht unkritisch. Sie fühlen sich nicht als Technik-Nerds sondern sehen die Technologie als Teil der Spielewelt. Gleichzeitig verläuft der technologische Fortschritt mit sehr großer Geschwindigkeit.

Die gamescom war geprägt von einem Spirit der Offenheit gegenüber neuen Plattformen und den damit verbundenen Möglichkeiten. Technologie ist etwas, dass man entdeckt, ausprobiert und in den eigenen Alltag integriert. Gleichzeitig darf sie nicht so kompliziert sein, dass sie nur von Spezialisten genutzt werden kann und sie muss zudem finanzierbar sein. Kultur- und Wissensinstitutionen könnten versuchen, diese Offenheit und das Ausprobieren als Teil ihrer Arbeits- und Gedankenprozesse zu integrieren. Auf der gamescom wird weniger diskutiert als vielmehr probiert und entwickelt. Der Austausch über Technologie findet kontinuierlich, interdisziplinär und auch zwischen Anbietern und Konsumenten statt. Die Welt der Computerspiele ist vergleichbar mit einem riesigen Labor. Wenn wir Computergames oder auch nur einen Teil dieser bunten Welt als Plattformen für die Kultur- und Wissensvermittlung akzeptieren, können und sollten wir auf dieses riesige Labor zurückgreifen.

Gleichzeitig konnte ich mehrfach erleben, wie offen die Gamer mit Fragen von anderen Gamern umgehen. Ich habe einige Besucher bezüglich der Technologie von Grafikkarten angesprochen. Es war überhaupt kein Problem, dass ich nur sehr wenig darüber wusste. Im Gegenteil, man freute sich mir helfen zu können. In unseren Seminaren und Workshops erleben wir sehr oft, dass sich viele Teilnehmer nicht trauen zuzugeben, dass sie bestimmte scheinbar einfache Dinge nicht verstanden haben. Ein kleiner Test zeigt dies immer ganz genau: Ich frage die Runde, wer die Plattform „Foursquare“ nicht kennt. In der Regel meldet sich niemand. Auch auf die Frage, wer diese Plattform noch nicht genutzt hat gibt es wieder keine Meldung. Frage ich dann, ob sich denn schon alle Teilnehmer am aktuellen Aufenthaltsort angemeldet haben, ernte ich nur fragende Blicke. In der nachfolgenden Diskussion kommt heraus, dass die meisten Teilnehmer Foursquare nicht kennen. Sie haben sich aber nicht getraut, dies vor den Kollegen zuzugeben. Ich glaube, dass es wichtig ist, allen Menschen die sich mit diesen neuen Technologien beschäftigen ein Gefühl der Offenheit und des Respekts entgegen zu bringen. Diejenigen von uns, die schon sehr viele Erfahrungen in diesen Bereichen haben, müssen alles daran setzen, die anderen mitzunehmen. Auch wenn dies bedeutet in bestimmten Fällen ganz von vorne anzufangen.

Wir können heute nahezu jeden kulturellen und wissenschaftlichen Inhalt visualisieren. Wir können immer mehr in die Welt der Computerspiele einsteigen und gleichzeitig werden die Spiele immer mehr Teil unseres Lebensraumes. Sie entwickeln sich zu einer Kulturtechnik und sollten als solche auch genutzt werden. Hierfür ist es notwendig, dass wir in der Breite mehr Know How in den Institutionen bekommen. Dabei geht es nicht darum, in einen technologischen Wettlauf einzusteigen. Es ist aber wichtig zu verstehen, dass Computerspiele wie Bücher und andere Medien Plattformen für die Kultur- und Wissensvermittlung sein können. Wenn wir dies akzeptieren, sollten wir uns nicht nur um die Spiele an sich sondern auch um die daraus resultierende Kultur und ihre Technologie kümmern.

Für die Institution als Raum ergeben sich durch neue Versionen der Controller und eine verbesserte grafische Darstellung eine Vielzahl an spannenden Möglichkeiten. Wir glauben, dass Spielekonsolen die Arbeit von Museen, Archiven, Bibliotheken, Opernhäusern, Universitäten etc. bereichern könnten. Der erste Schritt wäre die intensive Beschäftigung mit dem Thema – was die eigene Erfahrung mit Computergames einschließt.

Im nächsten Beitrag werde ich auf das Thema Software – also die eigentlichen Spiele eingehen.

Bis dahin seit Ihr alle herzlich eingeladen, mit uns über die Zukunft der Kultur- und Wissensvermittlung zu diskutieren.

Beste Grüße

Euer Christoph Deeg

Entry filed under: Bibliotheken, Games, Kulturinstitutionen, Museen, Zukunftsvisionen.

Zukunftswerkstatt und Gamescom Gamescom – Teil 2 – Software

4 Kommentare Add your own

  • 1. S. Allkämper  |  26. August 2010 um 16:05

    Ich sitze gerade an meiner Diplomarbeit über Spielkonsolen in Bibliotheken und hab auch die Chance genutzt, mir auf der Gamescom die neuen Trends anzuschauen. Als Konsolenfan und angehende Bibliothekarin kann ich nur zustimmen, dass man sich als Bibliothek mit dem Thema Spielkonsolen befassen sollte. Natürlich muss man nicht sofort auf jeden vorbeifahrenden Zug aufspringen und ob sich nun die Anschaffung von Move- oder Kinectspielen für Playstation oder Xbox lohnen, kann vor Veröffentlichung auch noch keiner beantworten. Aber die bewährten Basics (und ja, nach vier Jahren Wii kann man da schon von Grundlagen sprechen) sollten in den Bestand kommen – wenn die Möglichkeiten da sind. Bei solch tollen Familienspielen, die zusätzlich zum Spielspaß auch noch physische Bewegungen fordern, sollten sich Bibliotheken anschließen. Und wer dann zusätzlich zur Bestandserweiterung auch noch Veranstaltungen zu dem Thema aufzieht, der hat das Potential hinter dieser „neuen“ Welt erkannt.

  • […] nicht nochmal eingehen. Diejenigen, die diesen ersten Beitrag noch nicht gelesen haben, können ihn hier nachlesen. Grundsätzlich sind die meisten Spiele äußerst komplex. Es dauert eine ganze Weile bis […]

  • […] werden kann. Es gibt eine Vielzahl an Nutzungsmöglichkeiten. Ich hatte hierzu schon einiges geschrieben. Sony hat übrigens laut eigener Aussage 4,1 Millionen Exemplare ihrer neuen Steuerung […]

  • […] und redete, und spielte, und diskutierte, und spielte etc. Die Ergebnisse dieser Zeit können Sie hier und hier und hier […]

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