Zukunftswerkstatt und Gamescom

18. August 2010 at 09:29 1 Kommentar

Liebe Freunde und Unterstützer der Zukunftswerkstatt,

ab heute ist es soweit. Unter den Motto „Celebrate the Games“ findet vom
18.08. – 22.08.2010 in Köln die gamescom statt. Die Messe nennt sich selber „Das größte Messe- und Event-Highlight für interaktive Spiele und Unterhaltung“. Alles in allem ist es vor allem eines: eine beeindruckende Erfahrung. Meine ersten Spielemessen habe ich noch als Mitarbeiter von Disney Interactive (damals Buena Vista Games) erlebt. Ich wusste zugegeben nicht was mich erwartet – und ich habe auch nicht viel von der Messe gesehen. Die gamescom (damals gamesconvention in Leipzig) wird in den Medien zumeist als Messe für Gamer und solche die es werden wollen definiert. Aber es geht bei der gamescom um viel mehr. Das Weihnachtsgeschäft steht vor der Tür und hierbei geht es um den größten Teil des Jahresumsatzes. Meine erste gamesconvention fand also letztlich im Businessbereich statt. Warum erzähle ich das alles? Nun ich glaube, dass die Gamescom weitaus mehr ist als eine wilde, laute Gamer-Messe.

Zum einen kann man ganz viel über neue Trends erfahren. Und das gibt es einige. Da ist zum Beispiel das von Microsoft entwickelte Kinect:

Das Projekt hatte vorher einen anderen Namen und war unter dem Titel „Projekt Natal“ bekannt:

Microsoft geht hiermit einen neuen Weg. Ohne Controller bewegt sich das Spiel mehr in den (Lebens-) Raum hinein. Die Möglichkeit die sich aus diesem Werkzeug ergeben sind groß. Das Spiel ist nicht mehr alleine auf die Interaktion mittels Controller angewiesen. Wahrscheinlich wird man derartige Systeme auf Dauer programmieren bzw. anpassen können. Ähnlich wie Shortcuts auf der Tastatur. Ich werde auf jeden Fall Kinect ausprobieren und Euch dann berichten. Kinect soll angeblich auch für den PC verfügbar sein. In dem zweiten Video kann man erkennen, welche Möglichkeiten sich aus der Kombination Kinect und Internet bzw. Kommunikation ergeben.

Interessant ist sicherlich auch das Thema 3D. Bereits gestern Abend fanden einige Pressetermine statt, bei denen u.a. 3D gezeigt wurde. Laut Aussage einiger Besucher dieses Events war dies nochmal ein weiterer beeindruckender Schritt in neue Visualisierungsformen.

Der Grund für unsere Teilnahme an der gamescom ist aber weniger die Suche nach spannenden Technologien. Für uns stehen andere Fragestellungen im Mittelpunkt:

1. Wohin entwickeln sich Computerspiele? In den letzten Jahren hat sich die Spielewelt nachhaltig verändert. Themen wie Social Games oder Browsergames haben an Bedeutung gewonnen. Wir können in zunehmendem Maße einen Verschmelzungsprozess zwischen dem Internet (Web2.0) und der Welt der Computerspiele beobachten. Wenn wir über das sog. Web 3.0 diskutieren, sollten wir m.E. nicht nur über die Frage eines semantic webs sondern auch über die Frage der virtuellen Welten diskutieren. Computergames sind nicht mehr allein an ihre jeweiligen Plattformen gebunden sondern „erschliessen“ sich neue. Ein gutes Beispiel sind hier die Smartphones bzw, das iPad.

2. Wie können Kultur- und Wissensinstitutionen Computerspiele für die Kultur- und Wissensvermittlung nutzen? Grundsätzlich gibt im Vergleich zum Web 2.0 noch weitaus weniger Ansätze zu dieser Fragestellung. Am weitesten sind hier die Bibliotheken, da sie z.B. Computerspiele verleihen. Dieses Verleihgeschäft hat aber leider keine Zukunft. Zum Einen hat die Gamingindustrie kein Interesse an einem Verleih oder einem Markt für gebrauchte Spiele. Deshalb beginnen einige Hersteller damit, die Nutzungsmöglichkeiten zu beschränken. Das Spiel Fußball Manager 10 von Elektronic Arts wird z.B. online registriert – erst dann kann man es spielen. Es aber nicht möglich, das Spiel auf einer unbegrenzten Zahl von Computern zu installieren. Hierfür müsste es erst komplett deinstalliert werden. Da ein solches Spiel aber in der Regel über Monate gespielt wird, erscheint ein Ausleihen wenig sinnvoll. Eine andere Variante ist die, eine bestimmte Zusatzfunktion wie z.B. die Möglichkeit online zu spielen nur einmal bzw. für eine Person freigeschaltet sind.

Zum Anderen besteht ein großes Interesse, den Vertrieb bzw. die Verbreitung von Computerspielen über einen physischen Datenträger abzuschaffen bzw. durch einen Download zu ersetzen. Ein Geschäftsmodell welches sich also auf das Verleihen von Computerspielen beschränkt hat demnach kaum Zukunft. Von den damit verbundenen Kosten ganz zu schweigen. Gleichwohl gibt es für Bibliotheken eine Vielzahl an weiteren Möglichkeiten mit Computerspielen zu arbeiten. Einen spannenden Ansatz um mit diesem Problem umzugehen hat Cordula Nötzelmann in Ihrem Gastbeitrag entwickelt.

Die Möglichkeiten, die sich durch die Einbeziehung von Computergames in die Kultur- und Wissensvermittlung ergeben, beschränken sich nicht auf Bibliotheken sondern sind ebenso für alle anderen Kultur- und Wissensinstitutionen interessant:

Computerspiele als Mittel neue Kundengruppen zu generieren: Hiermit ist gemeint, dass Computerspiele z.B. in Opernhäusern und Museen dazu genutzt werden können neue Zielgruppen mit den eigenen Inhalten zusammen zu bringen.

Computerspiele als Plattform für die Kultur- und Wissensvermittlung: Hiermit ist die Idee gemeint, bestimmte historische, künstlerische oder auch gesellschaftliche Inhalte über Computerspiele zu vermitteln. Dies steht in Zusammenhang mit dem Thema der sog. Serious Games

Computerspiele und virtuelle Welten: Hiermit ist die Frage gemeint, inwieweit Kultur- und Wissensvermittlung in virtuellen Welten stattfinden kann. Während es schon einige spannende Versuche in Second Live gab geht es nun darum, wie dies auch in Welten die World of Warcraft geschehen kann.

Collateral Learning: Dieser Begriff stammt aus dem Buch Die neue Intelligenz: Warum wir durch Computerspiele und TV klüger werden von Steven Johnson. Er beschreibt damit einen Lerneffekt der entsteht, wenn wir z.B. Computergames spielen. Dieser Lerneffekt ist laut Johnson quasi ein positives Nebenprodukt.

Gaming als Vorlage für weitere Produkte: Was macht Foursquare, so erfolgreich? Wieso sind sovviele Menschen gerne bereit, kostenlos beim Aufbau einer Datenbank über Orte mit zu machen – und dabei sogar persönliche Daten preiszugeben? Ganz einfach Foursquare ist ein Spiel! Wir Menschen lieben es zu spielen und wenn wir uns länger mit Computerspielen beschäftigen, können wir plötzlich verstehen, wie wir unsere Online-Angebote verbessern können, indem wir sie mit Elementen des Spielens anreichern.

Gaming als Vorlage für neue Organisationsstrukturen und neues Management: Ob Ihr es glaubt oder nicht. Die Beschäftigung mit dem Spiel kann helfen, neue bzw. bessere Organisationsstrukturen und neue Managementmodelle zu entwickeln. Und das funktioniert sehr gut – die Zukunftswerkstatt probiert dies alles aus und ist sehr erfolgreich damit.

Vielleicht fallen euch ja noch mehr Themen hierzu ein?

Was machen wir nun auf der Gamescom?

Es gibt viele gute Gründe für die Zukunftswerkstatt auf der gamescom zu sein. Zuerst wollen wir vor allem lernen. Ich werde so viele Spiele wie möglich ausprobieren und mit so vielen Gamern, Entwicklern, Forschern etc. sprechen wie möglich.

Darüber hinaus möchten wir unser Netzwerk erweitern. Wir brauchen für die kommenden Projekte ein großes interdisziplinäres Netzwerk. Und da wir seit genau 48 Stunden die schriftliche Zusage für ein weiteres großes Projekt mit spannenden Partnern haben, kommt die gamescom zum richtigen Zeitpunkt. (Was wir da genau machen, werden wir Euch in den nächsten Tagen verraten) Wir möchten zudem Entwickler, Forscher und Gamer einladen, Teil unserer Online-Community zu werden. Dort hat sich schon einiges getan. Es gibt viele neue Mitglieder und unsere drei Communitymanager Cordula, Marion und Andreas sind wie immer sehr fleißig – an dieser Stelle nochmals 1000fachen Dank an Euch drei!!!

Und wir haben hier natürlich auch ein eigenes Projekt! Im Rahmen des Projektes Lernort Bibliothek werden wir einer Gruppe von Bibliothekaren am Freitag den 20.08.2010 die gamescom zeigen. Die Bibliothekare können dabei nicht nur Spiele ausprobieren, sondern auch und vor allem die Welt der Games und der Gamer verstehen. Zudem haben wir Termine mit Electronic Arts und dem G.A.M.E. Bundesverband . Alles in allem ein spannender Freitag…

Übrigens sind Gamer gar nicht so wie man meistens glauben mag. Eine aktuelle Studie der Universität Hohenheim zeigt, dass Computergames längst ein gesellschaftliches Massenphänomen geworden sind und Spieler eher selten sozial isoliert sind. Weitere Informationen zu dieser Studie gibt es hier.

In den nächsten Tagen wird es sicherlich viel Material für neue Blogbeiträge geben. Ich werde versuchen, in den nächsten Wochen alle Fragestellungen zu bearbeiten. Ich möchte Euch aber heute schon einladen uns Eure persönlichen Erfahrungen mit der Welt der Computerspiele mitzuteilen. Am besten nutzen Sie hierfür die Kommentarfunktion. Vielleicht kennt Ihr auch ein spannendes Projekt zum Thema Kultur- und Wissensvermittlung und Gaming?

Ganz liebe Grüße

Christoph Deeg

Entry filed under: Games, Kulturinstitutionen, Veranstaltungen, ZW Projekte.

Umfrage zum Stellenwert von Gaming und Web2.0 in Kultur- und Wissensinstitutionen – Teil II: Archive Gamescom – Teil 1 – Hardware

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