Augmented Reality – in Zukunft keine Science Fiction mehr
8. August 2013 at 18:49 Cordula Nötzelmann 7 Kommentare
Dies ist eine Open Access-Version eines im Rahmen der Zukunftswerkstatt-Kolumne abgedruckten Textes in: Bibliotheksdienst 2013 (47) 7: 555-557
Augmented Reality – in Zukunft keine Science Fiction mehr
Obwohl die Technologie, die das “Anreichern von Realität” online und offline bereits seit mehr als zehn Jahren auf dem Markt ist, haftet ihr immer noch ein Hauch Science Fiction an: der Mensch blickt durch eine Spezialbrille oder Kontaktlinsen und erhält auf diesem “Display” geographische, persönliche, kommerzielle oder jegliche andere Zusatzinformationen zum Geschehen oder zum Gegenüber. Längst hat die Technologie jedoch schon in unseren Alltag Einzug gehalten. Wer die Welt durch Smartphone oder Tablet sieht, hat schon längst die Chance, sich in einer unbekannten Umgebung durch diese Zusatzinformationen zu orientieren, sich Kunstwerke oder Sehenswürdigkeiten erläutern oder Ruinen rekonstruiert anzeigen zu lassen. Zugfahrten, so verspricht die Deutsche Bahn, werden unterhaltsamer, wenn man die App Jompp installiert1. Der Blick aus dem fahrenden Zug wird per Kamera zum bewegten Hintergrund für ein kurzweiliges kleines Spiel auf dem Smartphone oder Tablet. Menschen, die dem Geocaching zugeneigt sind, werden das Game Ingress schätzen2. Es verbindet Geocaching-Elemente mit Augmented Reality-Technologie: Diese virtuelle Schnitzeljagd, zum Beispiel durch Berlin, hat das gemeinsame spielerische Entdecken und Lösen von Aufgaben in Echtzeit zum Ziel. Doch auch im heimischen Wohnzimmer ist dieses Phänomen spätestens bekannt durch Angebote der Konsolenhersteller und der Spieleindustrie, die Gegenstände oder Kreaturen im Haus sichtbar machen oder die den Spielenden mitsamt seiner Umgebung in fremde Welten projizieren. Es lässt sich feststellen, dass mit fortschreitenden Möglichkeiten der Grad der Immersion höher wird und sich immer zahlreichere lebensweltliche Schnittstellen ergeben. In der Sportberichterstattung kann sich der Moderator beispielsweise auch in die Simulation einer Spielsituation hinein begeben und diese analysieren.3
Die Entwicklung des Google Dienstes Google Glass4 hat die Schnittstelle zwischen Virtualität und Realität auf das derzeitige Minimum reduziert: der Nutzer hat die Hände frei. Eine Brille mit winzigem Kamera-Aufsatz ermöglicht durch Sprach- und Gestensteuerung das Aufrufen von kontextbezogenen Informationen zur Umwelt und erlaubt laut Produktwebseite die Übersetzung und Weiterleitung von Sprachaufnahmen und das Teilen von Bildern und Statusmeldungen in Echtzeit.
Ebenso spannend ist die Zukunft gedruckter Publikationen, die bereits heute zunehmend zum Beispiel durch das Scannen eines Codes o.ä. mit einem mobilen Endgerät mit externen Diensten und multimedialen Zusatzinhalten verbunden werden können.5 Rein textbasierte Publikationen wie Zeitschriften oder Lehrbücher entwickeln gerade den Bedarf des sofortigen Wechsels zwischen der analogen und der digitalen Welt. Das Projekt TETfolio.de der FU Berlin hebt beispielsweise auf die Frage ab, wie sich klassisches Lehrbuchwissen mithilfe von 3D-basierter AR-Technologie konstruieren lässt, wenn es modular, individuell, mobil und immersiv aufbereitet wird.6 Das “Technology Enhanced Textbook” (TET) soll perspektivisch als “Experimentierkasten” für Bildungszwecke verschiedener Art, so zum Beispiel auch in Museen, einsetzbar sein.
Die Auswirkungen der Augmented Reality-Technologie auf den Bildungs- und Kulturbereich werden seit einigen Jahren untersucht, etwa in der Mediendidaktik und in der Museumspädagogik, aber auch in den Kommunikations- und Unterrichtswissenschaften. Die bisher angedachten Einsatzbereiche von AR-Technologie in Bibliotheken betreffen zunächst die Anpassung von klassischen Bibliotheksdienstleistungen an die neuen technischen Möglichkeiten,7 also Orientierungsinformation für die Literatursuche im Katalog oder im Guided Tours für das Bibliotheksgebäude. Weitere Beispiele sind Verfügbarkeitsanzeigen im Bestand Literary Book Tours oder Verknüpfungen mit Rezensionstools aus dem Social Web wie Shelfari8 und LibraryThing.9 Einen Schritt weiter möchte das Berliner Projekt mylibrARy gehen, das die Entwicklung einer kundenorientierten AR-App für die Stadtbibliothek Berlin-Lichtenberg zum Ziel hat.10 Während Bibliotheken vor relativ kurzer Zeit erst eine Vorstufe der Augmented Reality, die QR-Codes, für sich entdeckt haben und diskutiert wird, ob die AR-Technologie sich langfristig als relevant erweisen wird, setzt dieses Gemeinschaftsprojekt verschiedener (Forschungs-)Einrichtungen, u.a. der FH Potsdam, der HTW Chur und der Bibliothek Lichtenberg einen Impuls in der aktuellen Diskussion.
Fazit: Wie im Bereich digitaler Objekte insgesamt werden hier wissenschaftliche wie öffentliche Bibliotheken vor Fragen des Bestandsmanagements (Erwerbung, Erschließung, Präsentation, Vermittlung eines solchen Angebots), der Benutzung (beginnend etwa bei der Zulassung von von Handys in den Bibliotheksräumen)11 und zukünftig unverzichtbaren Kompetenzen im Berufsbild konfrontiert. Die Einsatzmöglichkeiten von Augmented Reality in Bibliotheken reichen von Animationen des jeweiligen Chatbots/ Maskottchens/ Markenzeichens in den physischen Benutzungsbereichen bis hin zu komplexen Katalogerweiterungen und -funktionen. Wer all das weiter verfolgen will, kann dies mit den Zukunftsentwicklern tun. Kontakt: info@zukunftswerkstatt.org
2 Kühl, Eike: “Schnitzeljagd mit Google”. In: Zeit online v. 22.03.2013. http://www.zeit.de/digital/games/2013-03/ingress–google–spiel–smartphone.
3 Siehe hierzu beispielsweise die Webseite des derzeit noch in Entwicklung befindlichen App Zeitfenster. Sie verspricht interessante Einblicke in die Vergangenheit der eigenen Stadt: http://www.zeitfenster–app.de/ Eine umfassende Übersicht über die aktuellen Einsatzfelder von Augmented Reality und entsprechenden Videomaterialien findet sich unter http://augmented–reality–in–education.wikispaces.com/
5 Dies ist zum Beispiel mit der App Layar möglich: http://www.layar.com/what–is–layar/. Ähnlich funktioniert Aurasma: www.aurasma.com
7 vgl. Loney, Tor: “Augmented Reality – Possibilities for Libraries”. PPT-Folien unter: http://de.slideshare.net/torloney/augmented–reality–for–libraries-10842227 vom 6. Januar 2012
10 vgl. http://www.opus–bayern.de/bib–info/volltexte/2013/1452/pdf/AugmentedRealityLeipzig2013_final.pdf und Wolf, Sabine: “Augmented Reality – Neue Möglichkeiten für Bibliotheken, Services für Kunden einfach darzustellen.” In: Libreas #21 (erschienen Oktober 2012) http://edoc.hu–berlin.de/libreas/21/wolf–sabine-62/PDF/wolf.pdf
11 Vgl. ebd., S.68.
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1. Tool der Woche – Wordle | Zukunftswerkstatt Kultur- und Wissensvermittlung e.V. | 18. August 2013 um 12:59
[…] das Einfügen von Text. Für unser Beispiel habe ich die aktuelle Kolumne der Zukunftswerkstatt “Augmented Reality – In Zukunft keine Science Fiction mehr” aus dem Bibliotheksdienst gewählt. Über ein Eingabeformular fügt man den Text ein und über den […]
2. Tool der Woche – Wikitude | Zukunftswerkstatt Kultur- und Wissensvermittlung e.V. | 12. September 2013 um 07:18
[…] Tour German Traces NYC des Goethe Instituts New York berichtet und im Bibliotheksdienst den Beitrag Augmented Reality – in Zukunft keine Science Fiction meh veröffentlicht. Heute wollen wir in Kürze Wikitude […]
3.
Arne Oberländer | 14. November 2013 um 11:54
Bei Schulkontext.de haben wir Kompetenzen sowohl für Augmented Reality an externen Lernorten (Museum) als auch für den Schulunterricht präsentabel erarbeitet. Unsere Lösungen gibt es (z. B. für Museen) bereits seit 2010. Wir haben sie unter anderem beim TETFolio-Team präsentiert; von TETFolio haben wir aber zu keiner Gelegenheit irgendein offizielles Ergebnis im Bezug auf AR gesehen. Unser Projekt Schulkontext.de läuft, da finanziell unabhängig, weiter …
4.
Cordula Nötzelmann | 15. November 2013 um 10:18
Hallo Herr Oberländer!
Das ist ja interessant! Ich freue mich sehr über Ihren Hinweis und möchte unbedingt mehr wissen. Befinde mich derzeit im Ausland, gehe Ihrem Projekt aber baldmöglichst nach.
Viele Grüße,
Cordula Nötzelmann
5.
Joerg Michel | 11. Dezember 2013 um 18:47
Hallo, wir haben eine schöne Lösung speziell für Verlage entwickelt, um Printerzeugnisse virtuell mit einer eigenen App zu erweitern.
Einfach mal anschauen und bei Interesse an Kooperation einfach melden.
http://www.kids-interactive.de/augmented_reality
Grüße aus Erfurt
Joerg Michel
6.
Arne Oberländer | 11. März 2014 um 11:47
Das ist ja schön. Wir haben bei der Didacta 2012 am Stand von Kids Interactive über unsere damalige Augmented Reality-Lösung für Schulbücher gesprochen. Und jetzt gibt es das auch kommerziell und sehr performant, so wie es scheint. Wir werden bestimmt bald Kontakt aufnehmen, um zu ergründen, ob dies mehr ist als eine der vielen AR-Apps und ob es damit für den Unterricht taugt (s. http://www.schulkontext.de/augmented-reality-im-klassenzimmer/).
7. Tool der Woche – Ich sehe was, was Du nicht siehst … | Zukunftswerkstatt Kultur- und Wissensvermittlung e.V. | 30. Mai 2014 um 09:01
[…] einem früheren Beitrag im Bibliotheksdienst bzw. auf unserem Blog sind wir auf dieses Thema “theoretisch” schon einmal eingegangen. Nun habt Ihr auf dem […]