Verzweifelt gesucht… Open E-Books in Bibliotheken

3. März 2014 at 11:04 1 Kommentar

Dieser Beitrag von Rudolf Mummenthaler wurde in der Kolumne der Zukunftswerkstatt im Bibliotheksdienst Heft 2/2014 veröffentlicht.

Verzweifelt gesucht… Open E-Books in Bibliotheken

In der Diskussion um Open Access liegt der Fokus bei der Publikation von wissenschaftlichen Beiträgen in Fachzeitschriften. Aber der Grundsatz des ungehinderten öffentlichen Zugangs gilt natürlich auch für Monografien, bzw. E-Books. Noch hat sich hier allerdings kein vernünftiges Verfahren etabliert, wie man als Autorin oder Autor eine Monografie unter einer Open Access-Lizenz bei einem Verlag publizieren kann. Oder anders herum: die Kosten für das „Freikaufen“ eines ganzen E-Books übersteigen die Möglichkeiten von Autorinnen und Autoren massiv.

Ich will jetzt aber gar nicht über mögliche Geschäftsmodelle für den Goldenen Weg bei E-Books reden, sondern darüber, wie Bibliotheken mit Open E-Books umgehen oder eben nicht umgehen. Auf die Problematik aufmerksam wurde ich an der Konferenz OAI8 im Juni 2013 in Genf.[1] Dort berichtete Rupert Gatti von Open Book Publishers[2] über das absurde Phänomen, dass Bibliotheken mit seinem Angebot an Open E-Books nichts anfangen konnten. Erst als er die E-Books seines Verlags via Aggregatoren verkaufte, wurden sie von Bibliotheken gekauft und in ihre Kataloge aufgenommen. OK, diese Open E-Books wären nicht kostenlos (open but not free…) erhältlich gewesen, aber es mutet schon komisch an, wenn erst ein (bestimmt teurer) Umweg über einen Zwischenhändler nötig ist, damit E-Books von Bibliotheken erworben werden.

Wir haben uns auf der Konferenz über die möglichen Gründe unterhalten. Wir sind dabei zur Einsicht gekommen, dass diese freien E-Books den gängigen Geschäftsprozessen in Bibliotheken zuwiderlaufen und dass sie deshalb nicht berücksichtigt werden. Da wäre zum einen das Format: ein E-Book im EPUB-Format liegt als Datei in dem entsprechenden Format vor (z.B. mybook.epub), die auf einer Website zum Download bereitgestellt wird. Nun müsste eine Bibliothek, möchte sie diese Datei in ihren Bestand übernehmen, dieses File auf einem eigenen Server zum Download für ihre Kunden bereitstellen, wenn es nicht in die Plattform eines Verlags integriert ist und von dort bezogen werden kann. Eigentlich wäre ein Repositorium, wie es an vielen Hochschulen betrieben wird, dafür durchaus geeignet. Doch sind diese Repositorien in der Regel nur für Publikationen aus der eigenen Hochschule gedacht und können deshalb nicht als Plattform für beliebige Dateien genutzt werden. Glücklich ist, wer an seiner eigenen Hochschule über eine Plattform verfügt, die geeignet ist, ein E-Book in mehreren Formaten abzuspeichern und anzubieten. In dieser Lage ist man an der ETH Zürich: die ETH E-Collection bietet die Möglichkeit, ein E-Book als EPUB, Mobi und als PDF abzuspeichern und liefert dazu gleich noch eine DOI.[3] Und seit neustem noch den Button zum Download nach Mendeley… Gut, das abgebildete Beispiel ist kein „wirkliches“ E-Book, also keine Monografie, sondern nur ein Artikel aus einem Sammelband. Aber das Prinzip ist das Gleiche. Und über diesen Eintrag in der ETH E-Collection wird das E-Book im Bibliothekskatalog (bzw. dem Wissensportal der ETH-Bibliothek[4]) als „Online-Ressource“ angezeigt und von da an den Gesamtkatalog Swissbib weitergereicht, wo es als „E-Book“ such- und findbar ist.[5] So sollte es eigentlich sein…

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Abbildung 1: Screenshot aus dem Repositorium ETH E-Collection mit einem E-Book in drei Formaten

Einfacher wird die Aufnahme in den Katalog, wenn das E-Book auch in einer Webversion vorliegt. Darauf sind Bibliotheken und ihre Regelwerke mittlerweile eingestellt, und diese Website lässt sich dann als „Online-Ressource“ katalogisieren. Auf diese Weise hat mich unsere Bibliothekarin an der HTW Chur überrascht, als sie mir mitteilte, sie hätte jetzt mein E-Book über E-Books katalogisiert. Dabei handelt es sich um ein E-Book, das als Website und in verschiedenen Formaten vorliegt – produziert mit WordPress über den Anbieter Pressbooks.[6] Bei der Selbstpublikation von E-Books ist also ratsam, den Inhalt auch über eine Website zugänglich zu machen.

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Abbildung 2: Screenshot der Webversion eines E-Books in der Titelanzeige im Verbundkatalog NEBIS

Zudem spielt bei der zögerlichen Haltung der Bibliotheken gegenüber Open E-Books noch der Aspekt der Qualitätssicherung mit: bei selbstpublizierten E-Books stellt sich die Frage, wie vertrauenswürdig die Quelle, die Plattform oder die Autorin/der Autor ist. Entsprechend tun sich Bibliothekarinnen und Bibliothekare etwas schwer bei der Auswahl, zumal E-Books sonst „bequem“ in Form von Paketen gekauft oder lizenziert werden.

In der Folge bin ich dem Phänomen Open E-Books in Bibliotheken weiter nachgegangen. Ich habe stichprobenartig getestet, ob als Open E-Books vorliegende Klassiker in Bibliotheksbeständen nachgewiesen werden. Dafür ist das Project Gutenberg die ideale Quelle.[7] Hier wurden bisher gegen 44’000 gemeinfreie Klassiker digitalisiert, die unter einer offenen Lizenz in unterschiedlichsten Formaten online angeboten werden. Ich habe den Test mit Ulysses von James Joyce gemacht. Das Werk ist samt Katalogisat auf einer Webseite zugänglich.[8] Einen kleinen Haken habe ich hier allerdings gefunden: es gibt keinen persistent identifier für diese Seite, also weder eine URN noch eine DOI. Eine Recherche in verschiedenen Bibliothekskatalogen und Portalen – unter anderen in Swissbib,[9] dem Gesamtkatalog der Schweizer Hochschulbibliotheken, oder im KVK[10] – hat keinen einzigen Treffer zu diesem E-Book ergeben. Im KVK findet sich zwar eine E-Book-Ausgabe von Ulysses, es stammt jedoch bezeichnenderweise aus einem lizenzierten Paket, das über den Aggregator EBL angeboten wird. Im Angebot der Onleihe (gesucht bei Onleihe Hamburg und beim Ostschweizer Verbund DibiOst[11]) findet sich kein E-Book von James Joyce. In den Online-Stores gibt es den Titel meist zu einem günstigen Preis ($ 0.95 bei Sony, 0.49 € bei Amazon € 1.99 bei Thalia), sogar gratis (im iBookstore) oder zu einem satten Preis von € 9.99 (bei Thalia). Diese E-Books sind in der Regel mit dem DRM des jeweiligen Anbieters versehen und sind somit in der Nutzung eingeschränkt – im Gegensatz zu den Open E-Books aus dem Project Gutenberg.

Zurück zu den Bibliotheken: Aus meiner Sicht wäre es doch für Bibliothekskunden ein interessantes Angebot, wenn sie Klassiker als E-Books ohne DRM beziehen könnten. Wir planen deshalb an der HTW Chur ein Projekt, um eine Plattform einzurichten, welche die für die Integration in Bibliothekskataloge nötigen Voraussetzungen erfüllt. Interessierte Bibliotheken können sich gerne bei mir melden…

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Rudolf Mumenthaler, HTW Chur und Zukunftswerkstatt

Kontakt: rudolf.mumenthaler@htwchur.ch

(c) HTW Chur


[1] http://indico.cern.ch/conferenceDisplay.py?confId=211600

[2] www.openbookpublishers.com

[3] http://e-collection.library.ethz.ch/view/eth:41815

[4] www.library.ethz.ch

[5] http://www.swissbib.ch/TouchPoint/perma.do?q=0%3D%22139670106%22+IN+%5B4%5D&v=nose&l=de

[6] http://mrudolfebooks.pressbooks.com

[7] www.gutenberg.org

[8] http://www.gutenberg.org/ebooks/4300

[9] www.swissbib.ch

[10] http://www.ubka.uni-karlsruhe.de/kvk.html

[11] http://www.dibiost.ch

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1 Kommentar Add your own

  • 1. Rachel Ellis  |  4. März 2014 um 14:35

    Wir an der SuUB Bremen haben einerseits fast 20.000 E-Books über ein klassisches Katalogisat in unseren Katalog integriert. Und per automatisierten Import bieten wir ebenfalls die Titel von gutenberg.org über eben diesen Katalog an. Die Kollegen von der Hochschule Hannover haben die Forschungsberichte der TIB in ihren Katalog integriert (http://blog.bib.hs-hannover.de/2013/12/09/deutsche-forschungsberichte-jetzt-in-unserem-katalog/) – es gibt sie – Open E-Books in Bibliothekskatalogen!

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