Interview mit Michael Anti(@mranti)

22. April 2010 at 18:23 2 Kommentare

Im Rahmen des 6. Deutsche Welle Blog Awards hatte ich die Gelegenheit mit dem Jury Michael Anti, der bekannte Journalist und Blogger aus China zu treffen. Wir haben versucht durch Michael Anti ein Chinabild im Bereich Journalismus und Medien für Sie zu ermitteln. Das Interview haben wir auf Chinesisch durchgeführt, hier ist die Übersetzung auf Deutsch.

Zukunftswerkstatt: Hallo Michael Anti, können Sie für unsere Leser die Internetzensur in China erklären?

Michael Anti: Ich beobachte die Internetzensur in China schon seit einigen Jahren. In den ausländischen Medien wurde die Internetzensur in China oft nur mit dem Projekt Great Firewall verbunden, in der Tat ist das Thema viel komplexer. Ich sehe es in folgenden Punkten:

  1. Wie ich schon genannte habe, das Projekt Great Firewall sorgt dafür, dass das gesamte Internet in China in Kontrolle zu bleiben. Einerseits sind alle Webseite außerhalb von China nur durch eine Schnittstelle zu erreichen, anderseits sollen die Webseiten gesperrt werden, die bestimmten Stichwörter auftauchen. (die Liste von gesperrten Seiten in China)
  2. Unter dem Great Firewall existieren noch viele unbekannte lokal Firewall, die von Provinzregierung betrieben wurden.
  3. Als Ergänzung zu der maschinellen Kontrolle ist die Internetpolizei ständig „unterwegs“ und versucht die Inhalte zu kontrollieren.
  4. Die schlimmste Zensur in China sehe ich nicht die technische Kontrolle und Internetpolizei, sondern die Selbstzensur. Wir in China haben ein Bildungssystem sowohl in der Schule und auch in der Familien, dass jede einzelner Person schon als Kind wissen, worüber man sagen darf und worüber nicht. Diese “Überlebensfähigkeit” überträgt man natürlich weiter im Netz. Es bildet im Internet auch ohne die Kontrolle eine unsichtbare Linie, wo man nicht überschritten will. Aber ich sehe auch immer positive Beispiele, die wir in der Kommunikationswissenschaft als “opinion leader” nennen. Als Jury von dem 6. Deutsche Welle Blog Awards ist der junge chinesische Blogger Han Han mein Favorit. Nicht weil er auf seinem Blog schon über 300 Millionen Zugriffe hat. Er versucht im Netz, der großen Öffentlichkeit diese Linie aufzubrechen, die jede Chinesen nicht getraut hat.

In China haben die Internetnutzer viele Möglichkeiten die zensierten Webseiten zu besuchen, es wäre nur der erste Schritt die technische Kontrolle zu überwinden. Wir brauchen aber in China viel mehr Leute wie Han Han, die einen freien Kopf haben, dass sehe ich bei den jungen Generation mit großer Hoffnung.

Zukunftswerkstatt: Michael Anti, Sie haben lange Zeit für unterschiedlichen chinesischen Zeitungen gearbeitet, wie reagieren die klassische Medien mit der Zensur?

Michael Anti: Die chinesische Presse hat eigentlich eine Kultur, dass die Journalisten wie hier in Europa eigene Meinung einbringen kann. Aber in China führt dies bei den einzelnen Journalist oft zur Gefahr. Unter dieser Bedingung wandeln die chinesischen Medien zu dem amerikanischen Modell, das die Journalisten eine Nachricht nicht „beurteilen“, sondern nur über die Tatsache beschreiben kann.

Die Journalisten entwickeln damit aber eine Strategie, dass sie jede Nachricht möglichst detailliert zu berichten und jede Tatsache möglichst transparent zu halten. Es kann nicht verhindern, dass das Ministerium für Propaganda immer neue Regelungen für „Tabuthemen“ vorschreibt. Aber ich hoffe, die oben genannte Strategie zu einem Selbstverständnis oder eine Art Richtlinien in dem Berufsfeld entwickeln kann, damit mindestens was in der Zeitung steht in der Wahrheit bleibt.

Zukunftswerkstatt: welche Rolle spielt die wirtschaftliche Entwicklung für die Internetzensur? Könnte es möglich werden, dass das globale Wirtschaftssystem in der Zukunft die Internetzensur in China aufbricht oder mindesten einen Druck darauf ausübt?

Michael Anti: Die chinesische Wirtschaft gehört zu dem globalen Wirtschaftssystem, ohne die internationale Kommunikation kann die Wirtschaft in China nicht funktionieren. Kurzfristig sehe ich nicht, dass die Regierung sagen, wir schalten komplett das Internet in China aus. Es kann die Wirtschaft stark beeinträchtigen und weiter zu einer sozialen Unruhe führen. Das möchte die Regierung natürlich nicht sehen.

Aber an dem Punkt bin ich auch ein bisschen misstrauisch. China ist momentan das zweite Wirtschaftssystem weltweit, für den Weltmarkt spielt China auch eine große Rolle. Der chinesische Markt hat für viele Länder und Unternehmen eine wichtige Bedeutung. Wir nehmen das Beispiel von Google. Um den chinesischen Markt eintreten zu dürfen, muss Google am Anfang auch selbst zensieren. Es ist jetzt vorbildlich von Google wegen Zensur aus dem chinesischen Markt auszuziehen, aber dieser Verlust kann nicht jede Unternehmen ertragen. Die globale Wirtschaft kann eine weitere Entwicklung im Bereich Internetzensur verhindern, aber sie hat auch ihre Grenze. (Ergänzung: Fernsehen Interview mit Michael Anti über das Thema Google und China)

Zukunftswerkstatt: Was haben die neuen Medien zum Beispiel Twitter China verändert?

Michael Anti: Ich sehe die wichtige Änderung vom Internet an die chinesischen Gesellschaft ist das Praktizieren von den Gesetzen.Trotz der Zensur im Internet sind viele Chinesen schon gewohnt mit dem Medium zu publizieren. Es kann eine Statusmeldung bei QQ sein, eine Anfrage in einem Forum sein oder auch ein Blogartikel sein. Diese Möglichkeit hat vor der Internetzeit überhaupt nicht gegeben.

Im Netz kann man eigene Meinung äußern und die neuen Medien wie Twitter vereinfachen diesen Schritt noch weiter. Der technische Fortschritt führt das „freie“ Publizieren im Netz zu einem Selbstverständnis und weiter als Recht der Internetnutzern. Sobald die publizierten Informationen aus unterschiedlichen Gründen zensiert werden, ist das Recht der einzelnen Person geschadet. In diesen Moment können sie auf den Gesetzen zurückgreifen. Das ist einen wichtigen Schritt die chinesischen Gesetze durch die Anwendung zu praktizieren und weiter das Recht der einzelnen Person zu schützen. Damit kann die Internetzensur in China nicht verhindert werden, aber das Selbstbewusstsein zur Meinungsfreiheit ist eine wichtige Grundlage zum Ziel.

Ein anderer wichtiger Fortschritt ist, die chinesischen Internetnutzer kann auf dieser Plattform „frei“ entscheiden welche Inhalte sie lesen möchten. Diese Publikationsform im Internet ermöglicht die Leser die Informationen nicht nur viel schneller als bei den klassischen Medien zu bekommen und die Interesse nach den zensierten Informationen bildet im Netz einen großen Markt. Zum Beispiel wenn ein Buch oder ein Artikel in der Zeitung zensiert wird, taucht gleich die vollständige Version im Internet. Die Informationen können im Netz wieder zensiert werden, aber die entwickelten Technologien und Geschwindigkeit von der Verbreitung machen die Zensur im Netz immer schwieriger.

Zukunftswerkstatt: Als Journalist und Medienforscher, wie sehen Sie die Zukunft der Bibliothek?

Bibliothek für mich ist eine Vorherrschaft der Information oder sie ist der Anhänger von den Universitäten, den ich als die größte Vorherrschaft des Wissens sehe. Für viele Institutionen bedeutet das Internet ein Prozess zu Dezentralisierung, sie wurden gezwungen im Internet die Macht aufzugeben und ein neues Arbeitsfeld zu finden. Das heißt für die Bibliotheken sie verliert durch den freien Zugang zu Information, was das Internet immer mehr anbietet, ihre Bedeutung. Ich sehe nicht die Bibliothek mit ihrer klassischen Aufgabe als Informationsbewahrer weiter existieren kann. Die Digitalisierung und Open-Access-Bewegung können oder werden die traditionelle Bibliothek ersetzen.

Aber ich muss deutlich betonen, das Lernen in der digitalen Welt hat auch seinen Nachteil. Das Lernprozess oder Teilen vom Wissen braucht ein Ort. Technisch kann es ermöglichen zum Beispiel eine Video Konferenz zu starten, aber diese Form von Kommunikation ist nicht vollständig. Es ist nicht vergleichbar mit der realen Welt. Bibliothek als Lernort wird wahrscheinlich immer noch bleiben, aber sie wird nicht wie früher die Welt der Information beherrschen.

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